Forschungsethik
Welche Auswirkungen hat eine Studie für die Studienteilnehmenden oder ihre gesamte, soziale Gruppe? Kann die Studie Personen schädigen? Zum Beispiel durch unangenehme Fragen oder durch Befunde, die Diskriminierung verstärken oder strafrechtliche Konsequenzen haben?
Bei der ethischen Beurteilung von Studien geht es darum, die Folgen, die durch die Forschung entstehen, in den Blick zu nehmen. Dies betrifft Schäden für das körperliche oder psychische Wohlbefinden ebenso wie negative soziale, rechtliche oder wirtschaftliche Auswirkungen.
Im Folgenden finden Sie Hinweise zu:
Ethisch handeln in der Forschungspraxis
Leitlinien zur Guten wissenschaftlichen Praxis (GWP)
Ethik-Richtlinien von Fachgesellschaften
Ethikkommissionen in Deutschland
Bonner Ethik-Erklärung bezüglich Erforschung sexualisierter Gewalt
Auf einer Themenseite des Rats für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) finden Sie eine Best-Practice-Sammlung zur Forschungsethik im Forschungsprozess, Materialien für die Lehre sowie Handreichungen, Empfehlungen und weiterführende Literatur. Das Angebot richtet sich an Forschende, Lehrende und Ethikkommissionen.
Ethisch handeln in der Forschungspraxis
Ethisches Handeln ist Bestandteil guter wissenschaftlicher Praxis und betrifft den gesamten Lebenszyklus von Forschungsdaten – von der Erhebung, über die Analyse bis hin zur Archivierung und Nachnutzung der Daten.
Zum forschungsethischen Handeln gehört es,
- sich mit den für die eigene Forschung bestehenden Vorgaben vertraut zu machen
- eine Risikoanalyse durchzuführen, das heißt welche Personengruppen sind welchen Risiken ausgesetzt?
- zu prüfen, ob ein Ethikvotum einzuholen ist und falls ja, dieses einzuholen
- die Leitlinien ethischen Handelns umzusetzen: Das heißt etwa Interessenskonflikte offen zu legen, Persönlichkeitsrechte zu wahren, Fehlverhalten zu unterlassen, Besonderheiten zu dokumentieren und Schutzmaßnahmen zu implementieren.
Um FAIRe Daten zu erzeugen, ist die Anforderung an forschungsethisches Handeln – definiert im Stamp[LINK] – zu erfüllen: Die Verarbeitung der Daten und Begleitmaterialien erfolgt gemäß den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die Projektbeteiligten berücksichtigen im gesamten Projektverlauf und darüber hinaus die (Persönlichkeits-)Rechte aller am Vorhaben beteiligter Personen und setzen bestehende Regelungen um.
Forschungsethik bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem Schutz aller am Vorhaben beteiligter Personen(-gruppen) und den Zwecken des Projekts bzw. den Interessen der Projektbeteiligten. Ziel der Projektbeteiligten muss daher nicht nur die Umsetzung des eigentlichen Vorhabens, sondern auch die Vermeidung potenzieller Schäden bzw. negativer Folgen für alle beteiligten Personen(-gruppen) sein. Abhängig vom jeweiligen Vorhaben müssen die Projektbeteiligten sowohl allgemeine als auch spezielle forschungsethische Aspekte berücksichtigen, um die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis im Umgang mit den Daten und Begleitmaterialien im Projektverlauf und darüber hinaus zu gewährleisten. Ist aufgrund des Vorhabens von sozialen, physischen, psychischen oder sonstigen (im-)materiellen Schäden für betroffene Personen(-gruppen) auszugehen, so versuchen die Projektbeteiligten derartige Folgen weitestgehend abzumildern.
Die Projektbeteiligten
- machen sich mit den forschungsethischen Vorgaben vertraut und eruieren, welche Personengruppen von welchen Risiken betroffen sein könnten (Risikoanalyse).
- setzen Leitlinien ethischen Handelns um und implementieren Schutzmaßnahmen für alle betroffenen Personengruppen.
- holen – bei Bedarf – ein Ethikvotum ein und setzen die entsprechenden Vorgaben/Maßnahmen um.
Der Stamp beinhaltet Checklisten zur Bearbeitung dieser Aufgaben. Hier geht’s zum Stamp![LINK]
Leitlinien zur Guten wissenschaftlichen Praxis (GWP)
Die Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis wurden erstmalig 1998 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlicht, um „die Redlichkeit in der Wissenschaft weiter zu befördern“(S. 3). Zum ethischen Forschen gehört es daher auch, die sog. GWP-Leitlinien zu berücksichtigen.
„Wissenschaftliche Integrität bildet die Grundlage einer vertrauenswürdigen Wissenschaft. Sie ist eine Ausprägung wissenschaftlicher Selbstverpflichtung, die den respektvollen Umgang miteinander, mit Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, Tieren, Kulturgütern und der Umwelt umfasst und das unerlässliche Vertrauen der Gesellschaft in die Wissenschaft stärkt und fördert. Mit der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Wissenschaft ist untrennbar eine entsprechende Verantwortung verbunden“ (Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, 2019, S. 7, zugegriffen am 27.02.2024)
Auf dem Portal Wissenschaftliche Integrität der DFG werden die Leitlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis kommentiert und um Praxisbeispiele ergänzt. Darunter findet sich auch ein Kommentar zu ethischen Aspekten von Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Darin heißt es: „Unabhängig vom Grad der Standardisierung in den jeweiligen Disziplinen sind grundsätzlich forschungsethische Aspekte für die Planung und Durchführung von Forschungsvorhaben relevant und eine entsprechende Reflexion ist daher erforderlich.“(letzter Zugriff, 27.02.2024)
Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (2019)
Portal Wissenschaftliche Integrität
Kommentar “Ethische Aspekte von Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften”
Ethik-Richtlinien von Fachgesellschaften
Einige im Kontext der empirischen Bildungsforschung wichtige Fachgesellschaften und Berufsfachverbände haben Ethik-Kodizes formuliert.
Übersicht über fächerübegreifende und fachspezifische Leitlinien beim RatSWD
Ethik-Kodex der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) (2016)
Ethikvotum bei Antragstellung
Ethikvoten können bei lokalen oder überregionalen Ethikkommissionen eingeholt werden. Ob ein Ethikvotum erforderlich ist, ist abhängig von Vorgaben der eigenen Einrichtungen, von disziplinspezifischen Standards oder von Förderern.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) informiert allgemein darüber, in welchen Fällen ein Ethikvotum einzuholen ist, wo ein solches eingeholt werden kann sowie zu Zeitpunkt und Kostenübernahme.
Das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) informiert im Rahmen von Förderbekanntmachungen über Anforderungen:
„Falls im Rahmen des vorgeschlagenen Projekts Forschung mit oder am Menschen (z. B. Untersuchungen, Befragungen) geplant sind, ist im Grundsatz eine Stellungnahme der zuständigen Ethikkommission erforderlich (vgl. auch erläuternde Hinweise der DFG). Der geplante Umgang mit forschungsethischen Fragen ist im Zuge der Antragstellung zu beschreiben."(Förderbekanntmachung des BMBF vom 02.09.2019, zugegriffen am 02.10.2019)
Ethikkommissionen in Deutschland
Ethikkommissionen beraten Forschende zu ethischen und rechtlichen Fragen bei Forschungsvorhaben und stellen Ethikvoten aus. Es gibt fachspezifische Ethikkommissionen, die lokal an der eigenen Einrichtung oder überregional tätig sind.
Übersicht Ethikkommissionen des RatSWD
Übersicht Ethikkommissionen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
Bonner Ethik-Erklärung bezüglich Erforschung sexualisierter Gewalt
Die Bonner Ethik-Erklärung (2016) fasst Fragen und Empfehlungen zur ethischen Verantwortung bei der Erforschung sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im pädagogischen Kontext zusammen. Sie liefert wichtige forschungsethische Hinweise zur Befragung sensibler Zielpopulationen im Zusammenhang der Erforschung sexueller Gewalt in pädagogischen Kontexten.